PRESSE:
Die Ausstellung "Black Holes and Wishing Machines" in der
19.10.2023 - 29.02.2024
KUNST AM CAS München | ENA OPPENHEIMER
BLACK HOLES AND WISHING MACHINES
Wissenschaftlicher Dialogpartner: Dr. Ingmar Saberi, CAS Researcher in Residence | Mathematical Physics and String Theory
BLACK HOLES AND WISHING MACHINES
Der unbewußte Mechanismus des Begehrens (und die Philosophie des Werdens)
Das Leben ist ein ewiges Herbeisehnen, ein Schwebezustand, ein Auf und Ab zwischen Wunsch und Wunscherfüllung. Die Wunschmaschine ist der Lebenshunger – die Maschine, die alles am Laufen hält.
Die Annahme, daß in der Wunscherfüllung das große Glück schlummert, schürt das Begehren und bringt immer neue Wünsche hervor. Kaum ist das Verlangen gestillt, taucht schon der nächste ungestillte Wunsch am Horizont auf.
Um 1913 benutzte Marcel Duchamp zum ersten Mal den Begriff der „Machine Célibataire“ (Junggesellenmaschine), der das Begehren als einen automatisch und unbewusst ablaufenden Vorgang beschreibt. Gilles Deleuze und Felix Guattari führten 1972 in ihrem „Anti-Ödipus: Kapitalismus und Schizophrenie Bd. 1“ daraus resultierend den Begriff der „Machine Désirante“ (Wunschmaschine) ein. Das Unbewußte wird mit einer vielschichtigen Maschinerie verglichen, deren Motor in allen Lebensbereichen – Denken, Emotionen, Ernährung, Leidenschaft und allen anderen körperlichen Bedürfnissen – das unbewußte Verlangen und Wünschen ist. Ingmar Saberi beschrieb die Wunschmaschine und das schwarze Loch in seiner Einführungsrede für die Ausstellung als ein Gegensatzpaar: Das schwarze Loch zeichnet sich mehr oder weniger durch seine Fähigkeit aus, Formen und Informationen zu vernichten. Das Loch ist eigentlich kein Loch, sondern ein Nicht-sein, ein Sog oder ein Moment, wo sich alles Materielle auflöst und rein Nichts mehr da ist, was vorher war. Die Wunschmaschine sieht er als Gegenstück dazu: wenn es sie gäbe, könnte man was auch immer hineinwerfen, oder gar nichts – und beliebige Gestalten erzeugen... (Ingmar Saberi) Was passiert im Moment der Wunscherfüllung. Wie kann man diesen Schwebezustand zwischen Wunscherfüllung und neu aufkeimendem Verlangen möglichst lange halten? – die Luft anhalten, die Augen schließen, das Objekt der Begierde möglichst lange betrachten? Das alles malerisch ausdrücken? Während ich so nachdenke, ist der nächste Wunsch schon längst in Arbeit und ich habe es gar nicht bemerkt ...
BEGEGNUNGEN IM ZWISCHENRAUM – GESPRÄCHE MIT ENA OPPENHEIMER
von Ingmar Saberi
Was ist Zusammenarbeit, und woran misst man ihren Erfolg? In der Wissenschaft finden sich immer mal wieder irreführende Vorstellungen davon: Es geht um Wissen als Gut, als Besitz, und Zusammenarbeit als Tauschhandel. Wir kommen irgendwo zusammen, jeder bringt sein angehäuftes Wissen und seine Ideen, die er so hat, mit. Unsere Haufen sind verschiedenerlei. Dann findet ein Austausch statt, bei dem jeder sich Wissen des Gegenübers aneignen darf. Der Vorgang ist reziprok, es profitieren alle.
Nach dem Schema von Erich Fromm, welches das menschliche Tun grundsätzlich in zwei Modi – nämlich den des Habens und den des Seins – aufteilt, ist diese Vorstellung dem Modus des Habens zuzuordnen. Ich möchte nicht bestreiten, dass es diese Art von Kollaboration gibt, und dass sie auch durchaus von Nutzen sein kann. Aber das Wesen von Zusammenarbeit lässt andere, bessere Vorstellungen zu. Und ihr Erfolg hat wenig mit den üblichen Maßstäben – etwa den aus Kooperationen hervorgegangenen Publikationen im Bereich der Wissenschaft – zu tun. Ein Gespräch oder eine Idee können dauerhaft abfärben, und viel später in ganz anderen Arbeiten nachklingen oder dort erst überhaupt aufkeimen.
Der Wert und die Prägekraft von solchem Austausch steigen mit der Vielfalt der Beteiligten. So sind Begegnungen zwischen Kunst und Wissenschaft, wie zum Beispiel meine Treffen mit Ena Oppenheimer im Vorfeld ihrer aktuellen Ausstellung am CAS, aus denen vorliegende Gedankenzüge entstanden sind, Beispiele kostbarer Zusammenarbeit. Wir sind in unseren Gesprächen herumgestreunt, durch Enas Arbeit und meine eigene Forschung und weit darüber hinaus. Die „Wishing Machines“, die in der Ausstellung am CAS zu sehen sind, rufen zwangsläufig Gedanken über Technik und Wissenschaft hervor. Die Metapher deutet für mich auf den verbreiteten Traum hin, sich vermittels der Technik einen Wunschbrunnen anzufertigen. Damit verweist sie auch auf die seit der Aufklärung überhandnehmende Vermessenheit, mit der wir unser In-der-Welt- Sein – in seiner Konkretheit und Verkörperung – als Last empfinden, das es zu über- winden gilt. So bleibt unsere Ehrfurcht nur noch zwei Gottheiten – der Technik und der Zukunft – vorbehalten; die Welt, die es gibt, gebietet sie nicht mehr.
Für mich wurde im Laufe der Gespräche ein überspannendes Thema sichtbar, das mit dem Begriff des Bildes bezeichnet werden kann. Das Bild steht hier nicht nur für ein konkretes Gemälde oder eine Skizze, sondern auch für die vielerlei abstrakten Bilder, deren wir uns tagtäglich bedienen: das Bild eines Atoms, eines Königs, einer Gemeinschaft, einer Zukunft, eines schwarzen Lochs. Die Arbeit der theoretischen (Natur-) Wissenschaften besteht eigentlich gänzlich aus der Erzeugung und Überarbeitung von solchen Bildern. Sie haben große Kraft, denn durch sie schaffen wir uns Ordnung und lernen die Welt kennen. Aber wir müssen uns gewahr bleiben, dass sie unsere Gedankenwelt mitgestalten. Wir stützen uns auf sie und zwängen unser Verständnis der Welt dabei in die Muster, die sie uns zur Verfügung stellen. Ludwig Wittgenstein sagte: „Ein Bild hielt uns gefangen.“
Ein besseres Bild einer Zusammenarbeit könnte so aussehen: Wir begegnen uns mit dem Wunsch, ähnliche (aber verschiedene) Fragen zu stellen. Unsere unterschiedlichen Erfahrungshorizonte bedingen unterschiedliche Reaktionen. Auf diese Weise unterschiedlich gewappnet, treten wir gemeinsam eine Reise an. Im gemeinsamen Nachdenken über offene Fragen betreten wir Räume, die noch nicht da waren, und erfahren Dinge, die keiner mitgebracht oder auch nur erwartet hatte; sie entstehen überhaupt erst, weil wir reden. Jeder kommt von dieser Reise verändert zurück; wir sind anders, und denken auf andere Weise über die Welt nach.
Mit dieser Vorstellung, die man dem Modus des Seins zuordnen kann, unser Fokus auf Menschen als Subjekte sowie auf das Zwischenmenschliche gelenkt. Wissen wird als Verb, als Tätigkeit verstanden, und Wissenschaft als Begegnung mit, Beziehung zu, und Bewunderung von der Welt. Der Wert einer solchen Zusammenarbeit – wie der einer gemeinsamen Reise – sperrt sich gegen Quantifizierung; es handelt sich vielmehr um eine Änderung des Daseins. So können Begegnungen zwischen Kunst und Wissenschaft (oder zwischen Philosophen und Landwirten) ebenso bereichernd sein, ebenso viele und ebenso tiefgründige Änderungen des Daseins hervorrufen, allen vermeintlichen Gebietsgrenzen zum Trotz.
In Ena Oppenheimers Werken finden sich lange Reihen wiederkehrender Gestalten in stets neuer Abbildung. Formen und Themen, die sich der abstraktesten Ebene der Naturphilosophie zugehörig fühlen, sind ebenso gegenwärtig wie Formen, die an die charakteristischen Züge des Organischen erinnern. Bekanntes Material tarnt sich in Bildern, die schleierhaft auf uns wirken; die danach streben, auf Unerwartetes oder Überraschendes, sogar auf alles hindeuten zu können. Somit rückt der Akt der Begegnung, die Beziehung zwischen Werk und Beobachter, ganz ähnlich wie in der Quantenmechanik, in den Vordergrund.
In einem von unseren Gesprächen hat Ena mir den Wunsch beschrieben, ein Bild zu schaffen, das kein Bild von irgendetwas wäre; das sich von offensichtlichen Deutungen völlig hat loslösen können. Vielleicht ist es überhaupt ein Erkennungsmerkmal von Kunstwerken, dass sie selten klaren Funktionen oder Deutungen zuzuordnen sind; die Unklarheiten, die Fragen, die sich stellen, und doch unbeantwortet bleiben, schützen das Kunstwerk vor der vollständigen Interpretation und lassen in jeder neuen Begegnung neue Deutungen zu. Die Spannung und die Lebendigkeit bestehen gerade in der Unerreichbarkeit der vollkommenen Deutung, des vollständigen Bildes – zusammen mit
der Möglichkeit, Bilder und Deutungen doch immer wieder zu schaffen. In dieser Hinsicht gleicht das gelungene Kunstwerk unserer nicht annähernd erfassbaren Welt.
So betrachtet sind Kunst und Wissenschaft nur verschiedene Äußerungsformen desselben menschlichen Wunsches. Beide sind Reaktionen auf Begegnungen mit der Welt. Beide stellen Versuche dar, Bilder von ihrer Beschaffenheit aus verschiedensten Materialien zu schaffen und so unsere Ehrfurcht vor der Welt zum Ausdruck zu bringen. Beiden wohnt das Staunen inne. Und im Idealfall die „Heilige Unruhe“, wie Johannes Kepler die Aufregung nannte, die sich einstellt, wenn eine Ahnung, ein formloser Gedanke in die Welt tritt, und sich so eine neue Tür öffnet.
Ingmar Saberi ist Postdoc am Arnold Sommerfeld Center für Theoretische Physik der LMU München und im Wintersemester 2023/24 mit einem Projekt zu „Higher Current Algebras“ Researcher in Residence am CAS. Sein Forschungsinteresse gilt der Quantenfeldtheorie.
aus dem Katalog zur Ausstellung "Ena Oppenheimer – BLACK HOLES AND WISHING MACHINES", Center for Advanced Studies der LMU München, Wintersemester 2023/24
BLACK HOLES AND WISHING MACHINES
ein Text von Björn Vedder
Ena Oppenheimers Ausstellung am Center for Advanced Studies gliedert sich grosso modo in zwei Teile: unten BLACK HOLES, oben die WISHING MACHINES.
Damit sind zwei Problemgebiete verbunden, die die Künstlerin in ihren Bildern untersucht: die Entstehung des Lebens zum einen und seine Durchsetzung und Organisation zum anderen. Eine Kernfrage im Hinblick auf die Entstehung des Lebens ist die, welche Formen das Leben erzeugen – und woher diese Formen kommen? Oppenheimer ist hier von den Überlegungen Hans Peter Dürrs inspiriert, der meinte, dass die Form eine fundamentalere Bedeutung habe als die Materie. „Geist“, sagte der Ästhetiker Max Bense, ist „wesentlich Form“.1 Oppenheimer greift diese Perspektive in einer Reihe von Bildern auf, wie z.B. ZOON IX (2023), CREATION (2017) oder ZOON III (2014).
Die längliche runde Form, die jeweils eine Bildhälfte dominiert, abstrahiert die Form der Zellen, welche für Oppenheimer wiederum die stärkste Abstraktion der Form des Lebendigen sind. Die längliche Streckung dieser „Zellen“ hat – genauso wie die Vermeidung der Kreisform, die Oppenheimer „zu perfekt“ erscheint – jedoch vor allem formale Gründe, insofern sie sich an den Cut anschmiegt, der alle Bilder der Reihe kennzeichnet. Dieser Cut teilt die Bilder in zwei Hälften und symbolisiert eine Denkbewegung, die Oppenheimer „out of the Box“ nennt. Da wir aber nicht wissen, was sich jenseits dieser Box befindet, in der wir denken, bleibt die andere Hälfte leer. Allein hier und da wachsen einige Haare – auch das ist eine Grundform des Lebens auf Mikro- wie auf Makro-Ebene – in das unbekannte Gebiet hinein. Denn „das Leben übersteigt unendlich alle Theorien, die man in Bezug auf das Leben zu bilden vermag“, wie Boris Pasternak einmal bemerkt hat.
Oppenheimer nimmt diese Bewegung in der formalen Gestaltung ihrer Bilder auf, inso- fern die Kontraste durch den Cut, die auch Kontraste von Hell und Dunkel sind, eine Blick- oder eben Überstiegs-Bewegung des Auges provozieren. Oppenheimer überträgt die Bewegung des Lebens auf die Bewegung der Kunst bzw. die Bewegung in ihrer Betrachtung. Hieran könnten sich Überlegungen über das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst, Studium und Betrachtung anschließen.
Arbeiten wie GOD IS LEFTHANDED (2023) oder THEM (2023) verstärken dieses dynamische Moment, das überhaupt in den neueren Arbeiten deutlicher hervortritt als in den älteren. Der Titel von GOD IS LEFT HANDED spielt auf die Beobachtung an, dass die meisten Aminosäuren linksdrehend sind. Das Bild imitiert diese Drehung mit einem von links oben nach rechts unten verlaufendem Stab, der eine zellenartige Form durchkreuzt. Eine besondere Dynamik erhält das Bild durch den Farbkontrast aus blau und rosa, der auch THEM prägt. Hier taucht die Zellenform erneut auf und vervielfacht durch eine gegenläufige Bewegung die mit dem Farbkontrast erzeugte Dynamik.
Die Farben rosa und blau betten diese Bewegung in größere Zusammenhänge ein, von denen ich einen kunstgeschichtlichen, einen physikalischen und einen theologischen hervorheben möchte.
In der Kunstgeschichte gehören dazu etwa die Arbeiten von Yves Klein, der mit Blau und Rosa zwei gegenläufige Bewegungen beschreibt. Blau ist für ihn nicht nur die Farbe des Himmels, den er, wie eine Anekdote aus seiner Jugend erzählt, als erstes Meisterwerk gerne signiert hätte – „j’allai signer mon nom de l’autre côté du ciel“, sagte er im Sommer 1946 am Strand von Nizza zu seinen Freunden – sondern auch Ausdruck der Bewegung darin, nämlich eines Fluges auf seine „andere Seite“ (l’autre côté du ciel). Es ist ein Flug von der Erde durch das Blau des Himmels ins Nichts, wie Klein später mit einem Zitat aus dem Buch Die Luft und die Traumbilder (1943) von Gaston Bachelard erklärt hat: „Zuerst gibt es nichts, dann gibt es ein tiefes Nichts, dann eine blaue Tiefe.“ Rosa signalisiert für ihn hingegen die gegenläufige Bewegung, von der anderen Seite des Himmels zurück auf diese Seite, vom Absoluten in das Konkrete, vom Immateriellen in das Materielle, vom Geist in den Köper. Es ist die Farbe der Schöpfung aus dem Geist oder dem Nichts. Besonders anschaulich wird das z.B. an Kleins Bild Le Rose du Bleu (1960). Rosa und Blau bezeichnen gegenläufige Bewegungen wie das Einatmen und Ausatmen. Deshalb meinte Klein: „Rosa und Blau sind eigentlich dieselbe Farbe“.2
Die Fernwirkung des Blauen, auf die Klein und Oppenheimer zurückgreifen, entspringt auch einem optischen bzw. physiologischen Phänomen. Wenn wir etwas, das blau ist, fokussieren, entspannen wir die kleinen, ringförmigen Muskeln um die Linse, die dadurch flacher wird. Diese Muskelbewegung „ist die gleiche Bewegung, die nötig ist, um weit entfernte Objekte zu fokussieren. Unser Gehirn steuert das automatisch. Möglicher- weise hat es unterbewusst aber eben auch den Effekt, dass wir die Farbe Blau mit Weite assoziieren.“3 Goethe hat das in seiner Farbenlehre (1810) so beschrieben: „Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zurückzuweichen. Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor uns flieht, gern ver- folgen, so sehen wir das Blau gern an, weil es uns nach sich zieht.“4
Rosa ist hingegen eine Farbe der Vereinigung. Wir sehen Farben, indem wir die Wellen- länge des Lichts interpretieren, das auf unsere Rezeptoren trifft, den Blau-Zapfen, den Grün-Zapfen oder den Rot-Zapfen. Sie werden von Licht mit unterschiedlicher Wellen- länge angesprochen und senden dann ein Signal an das Gehirn, das dieses Signal als Farbe interpretiert. Licht mit einer Wellenlänge von 420-490nm z.B. regt den Blau-Zapfen an, der daraufhin feuert und unser Gehirn sagt: „Aha, das ist also blau.“ Licht mit einer Wellenlänge von 650-780nm regt den Rot-Zapfen an. Indem mehrere Zapfen unterschiedlich stark angesprochen werden und unser Gehirn diese Informationen entsprechend verarbeitet, entsteht der Regenbogen in unserem Kopf: violett, blau, grün, gelb, orange und rot. Rosa ist jedoch kein Teil des Regenbogens. Es entsteht, wenn Rot- und Blau- Zapfen zugleich angesprochen werden. Licht, das wir als rosa interpretieren, kommt von den beiden Enden des Regenbogens. Es ist ein Licht der Vereinigung.
Das verbindet die poetisch-physikalische Bedeutung von Rosa mit ihrer kunstgeschichtich-theologischen, insofern Rosa in der christlichen Ikonographie und Kunst als Farbe des Heiligen Geistes und seiner Fleischwerdung in Jesus Christus gilt, was noch bei Klein gesehen werden kann. Oppenheimers Bild STRANGE THINGS, STRANGE PLACES (2016) greift die Verbindung der Farbe Rosa mit der Schöpfung auf: fiat lux.
Der Rosa-Blau-Kontrast ist in Oppenheimers Werken auffällig häufig, auch in den WISHING MACHINES, deren Titel auf ein Konzept von Gilles Deleuze und Félix Guattari zurückgeht und auf eine Arbeit von Marcel Duchamp, die Junggesellenmaschine (1915ff.). Für Oppenheimer artikuliert sich darin ein kulturell forciertes, unstillbares Begehren. Es entströmt einem unerschöpflichen Prozess, in dem sich Erschaffen und Verbrauchen, Wachsen und Verzehren, Lust und Frustration, Liebe und Tod fortwährend umschlingen. Bilder wie WISHING MACHINE (2023), ENTER NOW (2023) oder ASK ME LATER (2023) spiegeln diese Bewegung in einer freieren und dynamischen Bildsprache wider, die Formen der Avantgarde aufnimmt. Teile davon erinnern auch an Duchamps’ Großes Glas, in dem dieser seine Idee einer Junggesellen- respektive Wunsch-Maschine umsetzte (Marcel Duchamp, The Bride Stripped Bare by Her Bachelors, Even (The Large Glass), reconstruction, 1915ff.)
In anderen Arbeiten der Serie kehrt die Struktur der Zelle deutlicher wieder, z.B. AMERICA (2023) oder THIS HOLE IS NOT A HOLE (2023), wodurch die beiden Gruppen miteinander verbunden werden. Die BLACK HOLES und WISHING MACHINES zeigen den engen Dialog von Ena Oppenheimers Arbeiten mit den Wissenschaften. Sie reflektieren grundlegende Fragen der Entstehung und des Vollzugs des Lebens im Medium der Malerei.
Der Publizist Björn Vedder wurde 2008 mit einer Arbeit über Literatur und bildende Kunst an der Universität Bielefeld promoviert. Er ist mit verschiedenen Arbeiten zu Literatur, Kunst und Gesellschaft hervorgetreten; zuletzt mit „Reicher Pöbel. Die Monster des Kapitalismus“.
1 Max Bense, Konturen einer Geistesgeschichte der Mathematik I. Die Mathematik und die Wissenschaften, Hamburg 1946, S. 19.
2 Zit. n. Haley Edwards-Dujardin, Rose. De Botticelli à Christo. Une couleur à découvrir en 40 notices, Vanves Cedex 2021, S.58.
3 Kai Kupferschmidt, Blau. Wie die Schönheit in die Welt kommt, 4. Auflage, Hamburg 2020, S. 83. 4 Goethes sämtliche Werke, Bd. 35, Beiträge zur Optik. Versuch, die Elemente der Farbenlehre zu entdecken, Zur Farbenlehre: didaktischer und polemischer Teil, Berlin 1868, S. 287.
STRANGE THINGS, STRANGE PLACES, 2017, 140 x 140 cm, oil on canvas